Wirkung erzielen mit Transkreation

Texte wirken nur, wenn sie authentisch und in der Zielkultur verankert sind. Dies gilt insbesondere für PR-Texte. Die Übertragung solcher Texte in eine andere Sprache erfordert daher ggf. Anpassungen in Bezug auf Inhalt und Aufbau – Schlagwort Transkreation. Für exact! ist dies ein wichtiges Thema. Daher freuen wir uns, dass wir Frau Sattler-Hovdar für ein Interview gewinnen konnten. Sie hat ihre Erfahrungen in einem Buch zusammengefasst, das dieses Jahr beim BDÜ Fachverlag erschienen ist.


Frau Sattler-Hovdar, Sie sind sowohl in der Welt der Dolmetscher und Übersetzer als auch in der Welt des Marketings zu Hause.

In diesem Jahr erschien im BDÜ Fachverlag Ihr Buch „Translation — Transkreation. Vom Über-Setzen zum Über-Texten“. Worum geht es darin?

Vorausschicken möchte ich gleich, dass ich „Transkreation“ als eine etwas sperrige, artifizielle Bezeichnung empfinde; sie hat sich aber dermaßen eingebürgert, dass ich sie übernommen habe. Selbst nenne ich den Prozess lieber „Über-Texten“, da hier eine kombinierte Dienstleistung erfolgt: Zuerst wird ein Text übersetzt, anschließend wird die Übersetzung entsprechend der gewünschten Wirkung des Textes in der Zielkultur überarbeitet, also getextet. Transkreation muss man sich daher als einen Prozess vorstellen, der über das herkömmliche Verständnis einer Übersetzung weit hinausgeht, da im Anschluss an die Übersetzung der Text meist umfassend überarbeitet bzw. neu getextet werden muss, um in der Zielgruppe denselben Effekt zu erzielen wie in der Ausgangssprache.


Könnte man sagen, dass bei bestimmten Textsorten eine gute Übersetzung gleichbedeutend mit einer Transkreation ist?

Eine Übersetzung sollte immer funktionsgerecht sein, das heißt die ihr zugedachten Funktionen erfüllen. Der Vielfalt verschiedener Funktionen steht allerdings eine recht pauschale Abrechnung nach Wörtern oder Zeilen gegenüber. Es ist vom Aufwand und der erzielbaren Produktivität her jedoch ein enormer Unterschied, ob ich einen weitgehend aus Standardklauseln bestehenden Vertrag übersetze oder einen PR-Text. In ersterem Fall kann ich verschiedenste technische Hilfsmittel (Translation-Memory-Systeme) einsetzen und unter Umständen in kurzer Zeit sehr viel Zieltext produzieren, während ich beim PR-Text in derselben Zeit vielleicht erst einmal das Briefing aufgearbeitet habe.


Mit welchen besonderen Leistungen ist eine Transkreation verbunden, und welche Vorteile bringt sie dem Kunden?

Eine Transkreation ist ein Prozess, der sich kaum abkürzen lässt, auch wenn wir heutzutage noch so viele technische Hilfsmittel haben. Eine Transkreation muss viel mehr erfüllen, als nur formal korrekt – d. h. inhaltlich vollständig, grammatikalisch und orthographisch korrekt, fachlich richtig – zu sein. Sie muss vor allem „wirken“, sie muss eine Botschaft punktgenau und treffend kommunizieren. Gerade in der heutigen Zeit, in der wir täglich mit Informationen und Daten bombardiert werden, sortieren wir mitunter bereits anhand der Überschrift zahllose Texte aus. Wir lesen nur mehr jene, die uns vom ersten Satz an fesseln. Um mit einer Übersetzung einen zielgruppenfesselnden Text zu erzielen, müssen wir in der Transkreation weit über das hinausgehen, was uns als Übersetzern generell erlaubt ist. Ich greife tief in Satzbau, Abfolge und generell in die Struktur eines Textes ein, wenn die Logik und Schlüssigkeit in der Kultur und Sprache der Zielgruppe dies erfordert. So wie dies eben Texter tun, die wir aus der Werbe- und PR-Welt kennen.

Ein Transkreativtexter benötigt entsprechende Erfahrung und Marketingexpertise, ebenso wie die Fähigkeit und den Willen, sich so eingehend mit jedem einzelnen Satz und jedem einzelnen Wort und schließlich mit dem Text in seiner Gesamtwirkung zu befassen, wie es die Auftragssituation erfordert. Dies funktioniert nur dann, wenn auch der Kunde versteht, wie wichtig sein Input ist. Je mehr Input der Kunde liefert, desto besser kommt das Ergebnis schon beim ersten Mal an seine Vorstellungen heran. Der Kunde erspart sich letztlich den Zeit- und Kostenaufwand für nachträgliches Hin und Her, oder schlimmstenfalls sogar für eine komplette Neubearbeitung.


Eine Transkreation erfordert demnach einen engen Austausch zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer. Welche Voraussetzungen führen zum Erfolg?

  1. Ein umfassendes Briefing.
  2. Das Bewusstsein auf beiden Seiten, dass Transkreation nicht auf Knopfdruck und nicht maschinell bewerkstelligt werden kann. Transkreation ist ein Prozess in mehreren Schritten, und jeder dieser Schritte muss für jeden Auftrag aufs Neue durchgeführt werden.
  3. Transkreation braucht Zeit. Je mehr Informationen und je mehr Zeit zur Verfügung stehen, desto besser werden in der Regel die Ergebnisse.
  4. Ein gutes Feedbacksystem. Bei der erstmaligen Zusammenarbeit muss man erst ein „Gefühl füreinander“ entwickeln. Jedes Unternehmen tickt anders. Da muss man sich erst einarbeiten und ein Gespür dafür bekommen, was sich der Kunde wünscht und womit ihm am besten gedient ist.

Wie sieht in Ihren Augen das zeitgemäße Bild des Übersetzerberufs aus?

Dringend vonnöten wäre meines Erachtens eine verstärkte Betonung der Beratungskomponente, die für den Beruf des Übersetzers heute wichtiger ist als je zuvor. Das liegt daran, so widersprüchlich dies auch klingen mag, dass die vielen technischen Fortschritte, aber auch zunehmende und unterschiedliche Qualitätsansprüche auf Kundenseite, eine unglaubliche Fülle an verschiedenen Herangehensweisen für die „Übersetzung“ eines Textes hervorgebracht haben, die je nach der Funktion, die dieser Text zu erfüllen hat, eingesetzt werden sollten.

Um aus dieser Fülle der verschiedenen Herangehensweisen die für den jeweiligen Auftrag optimale Lösung auszuarbeiten, ist einerseits ein entsprechendes Briefing auf Kundenseite erforderlich, andererseits die Fähigkeit und Bereitschaft auf Auftragnehmerseite, tatsächlich beraten zu wollen.


Frau Sattler-Hovdar, wir danken Ihnen für das informative Gespräch und wünschen allen Auftraggebern und Übersetzern einen regen Austausch.


Mag. Nina Sattler-Hovdar, Diplom-Übersetzerin und Dolmetscherin
Mag. Nina Sattler-Hovdar, Diplom-Übersetzerin und Dolmetscherin
„Translation –Transkreation. Vom Über-Setzen zum Über-Texten“ von N. Sattler-Hovdar , erschienen im BDÜ Facherlag.
„Translation –Transkreation. Vom Über-Setzen zum Über-Texten“ von N. Sattler-Hovdar , erschienen im BDÜ Facherlag.

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